Ein interessanter Artikel auf Mhaires Blog hat mich dazu bewogen auch mal meine Meinung zum Thema “Regeln im Rollenspiel” niederzuschreiben. Seit ich zarte elf Jahre zähle, spiele ich nun schon diverse Rollenspielsysteme und habe mir über die Jahre immer wieder auch über die Systeme als solches viel Gedanken gemacht. Gamedesign außerhalb von Optimierungsversuchen und Min-Maxerei und diverse Artikel später, habe ich für mich folgende Schlussfolgerungen gezogen:
Auch wenn es für mich beim Rollenspiel nicht nur ums Spiel mit der Rolle, sondern auch das rollende Spiel mit dem Würfel geht, so stehe ich eindeutig auf der regelarmen Seite des Ufers.
Heruntergebrochen auf das Gamedesign bzw. den Grund, ist die Ursache für die Einführung eines Würfels keineswegs eine Frage der Simulation, wie die DSA-Fanatiker meist hervorheben, oder eine möglichst “realistische” (ich kriege diese Anführungszeichen nicht weg, egal wie sehr ich auch im Kopf radiere) Darstellung der Welt; sie ist ein zufallsbasierter Sozialpuffer zwischen den Spielern und dem Meister. Diese vielseitigen Helferlein sorgen am Ende nur für einen Sündenbock, den Zufall.
Natürlich ruft der Meister oder die Situation an sich zu einer Probe auf – wodurch, wie dem aufmerksamen Spieler sicher schon aufgefallen ist, das ganze Simulieren sowieso flöten geht, da der Meister den Zeitpunkt bestimmt/beeinflusst – aber da der Meister die Situation vollständig konstruiert, kann er alles so einfach oder schwer machen wie er es will. Um Fairness geht es also per Definition schon mal nicht. Um Simulation auch nicht, da der Meister die Welt nicht erwürfelt bzw. simuliert.
Wenn man durch ehrliche Reflexion mal an diesem Punkt angekommen ist, wird es auch klar, wieso ein Regelwerk eben nicht versuchen muss die Welt bis aufs Atom herunter mit Wahrscheinlichkeiten und unwahrscheinlich komplizierten Würfelproben zu versehen. Das Regelwerk muss nur an entsprechenden Stellen so wenig Puffer wie möglich, aber so viel wie nötig zwischen die Spieler und den Meister stopfen. Ein Regelwerk, das diesem Ziel gerecht wird nennt man dann spielbar.
Auf der anderen Seite haben wir Systeme – ich schaue dich mit stierem Blick an DSA Regelwerk – die sich im Zahlen und Ausnahmenwirrwarr verlieren. Bei denen ein Abend selbst mit erfahrensten Regelkennern zur Nachschlagorgie und Regelfuchserei wird. Ein System, das schon statistisch die Spielfiguren zu hilflosen Trotteln degradiert, bei dem der Meister durch das einfache Verlangen einer Probe auch bei erfahrenen Helden ein Scheitern erschreckend wahrscheinlich provozieren kann.
Ich habe DSA weit über zehn Jahre leidenschaftlich gespielt. Die Regeln standen uns dabei immer maximal im Weg, sie haben jeden Spielabend aufs Neue für alle zur Tortur werden lassen. Wir kannten es nicht anders; wir fügten uns der allgegenwärtigen Gewalt der Bücher und Regeln, geführt von einem Regelextremisten wie er im Buche steht.
Dann kamen die anderen Systeme. Neugierig schaute man über den Tellerrand hinaus, man schnupperte, schnüffelte und bekam da diesen Duft in die Nase, dieses Aroma von Spielbarkeit, von Spielfluss; Regelwerke von Systemen wie Vampire, Shadowrun, Savage Worlds und vielen anderen stellten schon im eigentlichen Regelwerk die Regeln hintenan. Man musste sich tatsächlich erst durch seitenweise atmosphärische Texte lesen, bevor einen die ersten Zahlen belästigten. Ich habe seit dieser Zeit nicht mehr zurück gesehen.
Aventurien ist immer noch meine rollenspielerische Herkunft und die Sicht auf Fantasy, alle fantastischen Kreaturen ist durch keinen Welthintergrund mehr geprägt. Diese Prägung macht es mir auch jedesmal wieder schwer, wenn ich an die Abende zurück denke, die großartigen Abenteuer, die komplexe Welt – nicht die Regeln – die mich als Kind verzauberten. Aventurien ist ohne Frage die detaillierteste Spielwelt aller Zeiten und bietet so viele Ecken und Kanten, dass man sich nicht nur ein Leben lang darin vergraben, sondern auch spannend daran reiben kann. Jede Minute, die diese wundervolle Spielwelt von pseudokomplexen (denn komplex sind sie nur durch Ausnahmen, nicht durch strukturelle Komplexität) Regelwerken genötigt wird sind verlorene Minuten an wertvoller Spiel- und Lebenszeit.
Ich hoffe, auch wenn die Hoffnung nur noch gering ist, dass DSA 5 wenigstens einen Babyschritt in die richtige Richtung nimmt und das System endlich entschlackt, oder ich habe die Hoffnung auf weitere vergnügliche Stunden mit DSA, in der Welt von Aventurien verloren.